Mein Jahr in Pretoria, Südafrika, ein erstes Resümee der Anfangszeit seit dem 25. August 2008, an dem ich meine Reise nach weltwärts antrat. Vielleicht die negative Variante eines freiwilligen Auslandsaufenthaltes mit dem DED bis zum nun vergangenen dritten Monat, jedoch auch ein reichhaltige Erfahrung und aufschlussreiche Information für alle Interessierten.
„Unterstützung von Waisen und anderen gefährdeten Kindern und Jugendlichen“ – war die einzige Beschreibung, die ich von meinem Weltwärts-Projektplatz in Südafrika hatte, und die ich vor meiner Ausreise vor drei Monaten an alle Nachfragenden gespannt, jedoch auch schulterzuckend weitergab. Denn das war nicht genug, um sich ein etwaiges Bild von dem machen zu können, was wirklich auf mich zukommt, doch selbst nach den bereits vergangenen 3 Monaten am Einsatzort weiß ich noch nicht, worin meine Aufgabe bei meiner Partnerorganisation „Tateni Home Care Nursing Services“ nun eigentlich bestehen soll.
Tateni unterstützt Waisen und andere gefährdete Kinder und Jugendliche, indem die kleine NGO in Mamelodi Home- und Child-Carer einstellt und auch ausbildet, die die entsprechende Zielgruppe durch Hausbesuche oder durch nachschulische Betreuung in sogenannten Drop-in Centern erreichen. Ca. 40 Home-Carer stellen die Sorge der Waisenkinder und bedürftigen bereit, zum Teil „child-headed“-Familien, in denen das älteste Kind die Elternrolle übernimmt. Die 30 Child-Carer kümmern sich um bis zu 160 Kinder in den fünf Drop-in Centern von Tateni in der Community von Mamelodi, teilweise in Schulen, Kirchenhallen oder unter einem Carport. In „monthly Reports“ werden Fortschritte und Entwicklung festgehalten, da die Spender einen Beleg dafür fordern, dass mit ihrem Geld etwas Effektives geschieht, und dass die Arbeit wert ist, weiterhin finanziert zu werden. Einige Angestellte ermöglichen diese Arbeit durch Finanzmanagement und Fundraising im Büro. Zudem betreut Tateni ein Aids-Hospiz, in dem im Moment jedoch nur 3 von den 12 zur Verfügung stehenden Betten belegt sind und das vor der Angliederung an ein größeres Krankenhaus bedroht ist.
In dem ersten Monat meiner Arbeit sollte ich eine Einführung bekommen. Sie realisierte sich in Tätigkeit an meinem eigenen Laptop im Büro, die hauptsächlich am Tippen von Texten und Tabellen bestand, während der ich allerdings die Strukturen und Abläufe der Organisation kennenlernen sollte. Aus dem vorgesehenen einen Monat sind etwas langwierige zwei geworden, doch durchzogen von zahlreichen Meetings und Konferenzen für NPOs/NGOs, zu denen mich meine Chefin mitnahm, stellten diese im Nachhinein doch eine interessante Zeit dar.
An den Tagen im Büro gab es leider oft keine Arbeit für mich, was daran lag, dass meine Chefin, die gleichzeitig das Amt meiner Mentorin angenommen hat, maßlos überarbeitet und voll und ganz mit ihren Aufgaben; die oft aus denen des gesamten Büros zu bestehen scheint; ausgelastet ist.
Diese ungünstige Situation führte sowohl dazu, dass alle Veränderungsvorschläge oder –Fragen meinerseits oft auf Ablehnung stießen, als auch zu einer ansteigenden Belastung unseres persönlichen Verhältnisses, dass unter Erwartungen, Missverständnissen und Enttäuschungen zu leiden hatte. Diese wachsende Anspannung verstärkend, fallen die täglichen Autofahrten an (meine Chefin muss mich 30 min von ihrem Wohnsitz entfernt abholen), die mich einerseits zeitlich von ihr abhängig machen, und sie aufgrund der täglich zusätzlich aufzuwendenden zwei Stunden ihrer Zeit belasten.
Im Laufe meines zweiten Monats bekam ich endlich meine Arbeitsbeschreibung: Sie beinhaltete Arbeit im Büro, in den Drop-in Centers, Hausbesuche und sogar im Hospiz, um alle Bereiche von Tateni kennenzulernen und außerhalb dessen immer dort, wo es nötig ist. Ich befand mich in dem Zwiespalt zwischen Helfen nach den Vorstellungen der Organisation, und einer Arbeit, die auch meinen Anspruch an das Jahr zufriedenstellt. Doch welches Ziel sollte diese Beschreibung nun verfolgen, außer mir die „world of work“ zu zeigen, wie meine Chefin bei jeder Vorstellung von mir betonte, während ich jedoch an keinem Arbeitsplatz wirklich integriert werde, was unter anderem zu meinen Ansprüchen gehört.
Nach weiteren zahlreichen Versuchen, ausdrücklich meine Unzufriedenheit mit der bestehenden Situation deutlichzumachen, wurde meinem Wunsch praktisch, z.B. in einem der Drop-in Center zu arbeiten, schließlich zum Ende des dritten Monats stattgegeben: ich wurde zunächst in das Büro der Kollegin versetzt, die der „Supervisor“ der Child-Carer und somit für die Drop-in Center zuständig ist, und etwas später dem kleinsten der Nachmittags-Center zugewiesen. Die Arbeit dort beginnt um ca. 11 Uhr vormittags, endet jedoch bereits um 16.30 Uhr, und leider sind die 20-30 Kinder, die das Center in Anspruch nehmen lediglich zweieinhalb Stunden dieser Zeit anwesend.
Mein erster Eindruck von der Arbeit der 3-4 weiblichen Child-Carer dort war eher schockierend: Der einzige Kontakt mit den Kindern, als auch die gesamte Tätigkeit in den 5 ½ Stunden Arbeitszeit bestand darin, mit ihnen zu beten und ihnen Essen zu geben, einen Job, den die Köchin allein hätte leisten können. Vielleicht liegt das auch an der ziemlich heruntergekommen Halle mit einem kleinen Küchenraum und der Tatsache, dass so gut wie keine Materialien zur Verfügung stehen.
Auf meine baldige Nachfrage allerdings, ob es einen Wochenplan gäbe, überraschte mich die unerwartet enthusiastische Antwort, wir könnten doch aber jetzt gleich einen machen.
In diesem Sinne hat sich auch mein Bild der anfänglich sehr träge scheinenden Betreuerinnen in letzter Zeit etwas geändert. Ab und an (nun immer Montags) behandeln sie mit den Kindern in mehreren Stuhlkreisen vor allem Themen wie Aids und HIV, zudem tätigen sie jeden Morgen „Home-visits“, bei denen sie die Entwicklung der Drop-in Center Kinder zu Hause in familiärer und schulischer Hinsicht überprüfen und dokumentieren sollen.
Nachdem wir nun gemeinsam einen Wochenplan ausgearbeitet und im Center etabliert haben, hoffe ich auf steigende Motivation meiner Kolleginnen und so lebendigere Aktivitäten, wie Malen (wenn sich Material organisieren lässt), Fußball, Tanzen, Geschichtenlesen und Kultur. Diese sollten von den Betreuerinnen angeleitet werden und auch einen regelmäßigeren oder ausgiebigeren Besuch der Kinder herbeiführen, da somit etwas da ist, was sie lockt, wofür sie kommen und auch bleiben.
Im Moment stellt es ein Problem dar, dass ich noch immer an die Arbeitszeiten meiner Chefin gebunden bin, sodass mich einer der Fahrer jeden Tag zum Drop-in Center bringen, und mich nachmittags von dort abholen muss. Das bedeutet, ich bin jeden Morgen und nachmittag bis ca 17.00 Uhr, manchmal auch bis 6 im Büro bin, und sich dort keine Arbeit mehr für mich findet, seit mich meine Chefin/Mentoren in das neue Büro versetzt hat. So bin ich täglich 11 Stunden außer Haus, um prinzipiell nur 2 Stunden (mit den Kindern) effektiv beschäftigt zu sein.
Bevor die Kinder in unserem Center an einer Kirche ankommen, sitzen ich und meine Kolleginnen immer lange zusammen und reden, leider oft auf Sesotho, was ich nur sehr, sehr mangelhaft verstehe, zudem viele auch kein gutes Englisch beherrschen. Letztens kamen wir auf eine Weihnachtsfeier für die Carer kurz vor dem Urlaub zu sprechen. Ich schlug vor, auch am letzten Tag vor den Ferien den Kindern eine kleine weihnachtliche
Freude zu bescheren, mit einfachen Dingen wie Keksen, Saft, festlicher Musik, Geschichten und Spielen. Als Antwort erhielt ich leider die Argumentation, dass die Kinder ja schon eine Feier bekommen würden und was denn mit den Betreuern sei. Auch sind viele der Überzeugung, dass man sich auf Tateni als Arbeits-und Geldgeber nicht verlassen kann und meinen somit, sich möglichst bald einen neuen Job suchen zu müssen. Solche Situationen tauchen oft auf, was ich schade finde, doch leider scheinen sie die traurige Realität zu sein.
Mein Ziel ist es, möglichst vielen Kindern angesichts der immer noch existenten Parallelwelten nach den Zeiten der Apartheid eine positive Erfahrung mit einer weißen, ausländischen Person im Gedächtnis zu hinterlassen. Zudem möchte ich Möglichkeiten aufzeigen, wie man mit den wenigen Mitteln möglichst viele Aktivitäten anbieten und auch mit den Kindern umsetzen kann. Ebenfalls hoffe ich, den Glauben der Child-Carer in das, was sie tun, (nicht für das Geld sondern für die betroffen Kinder) in einigen Gesprächen mit den Frauen stärken zu können, und somit auch ihre Motivation.
Für die nähere Zukunft ist geplant, dass ich mir auch die anderen Drop-in Center ansehe und jeweilige Verbesserungsmöglichkeiten aufdecke, als auch den Mitarbeitern bei dem Verfassen ihrer Reports über die Entwicklung der Kinder, welche an die Spender geschickt werden müssen, helfe, da manche keine sehr ausgefeilte schriftliche Sprache beherrschen.
Insgesamt fehlt Tateni wie dem gesamten Südafrika an vielen Stellen gutes Management und die Strukturen, wofür ich meine Kapazitäten; eventuell mit dem Erstellen von Plänen nutzen könnte.
Doch trotz all dieser aufgelisteten Perspektiven habe ich mich dafür entschieden, das Projekt zu wechseln und der DED-Mentor für Südafrika ist bereits damit beschäftigt, einen neuen Platz ausfindig zu machen und daraufhin die notwendige Anerkennung des BMZs zu erhalten. Der Grund dafür ist, wie oben beschrieben, die fehlende Integration in die Organisation, auch würde ich das ganze Jahr einen Sonderplatz besetzen und mir diese Arbeit auf lange Sicht nicht als zufriedenstellen vorstellen können.
Hinzukommend zu diesen Kriterien wohne ich in einer WG mit Deutschen zusammen, wenn auch in dem Haus einer afrikanischen Familie. Zudem ich nicht darauf eingestellt war, kommt dieser Umstand nicht ganz mit meiner ursprünglichen Vorstellung der Erfahrungs-und Lerneffekte im privaten Bereich überein, auch wenn es als eine sanfte Einführung sicher vorteilhaft war. Diese Unterkunft war nur für die ersten drei Monate gedacht, da wir jedoch bis jetzt noch keine passende Alterative finden konnten, steht auch diese Veränderung für mich noch an.
Ja, da ich mich durch diese Unklarheiten im beruflichen und privaten Lebensbereich in der Schwebe und noch immer nicht in einer bleibenden Situation befinde, kann ich für die Zukunft keine Prognosen machen, geschweige denn über mein Vierteljahr in diesem Land urteilen.
In der Freizeit konnte ich trotz Allem viele interessante und positive Dinge mitnehmen, auch wenn wir deutschen Freiwilligen, zunächst so isoliert von Einheimischen, feststellen mussten, dass das Transportproblem in einer Großstadt wie Pretoria doch größer ist als gedacht. Lehreiche Erfahrungen waren es auf Arbeit jedoch ohne Zweifel und grade aus den schwierigen Situationen im Leben nimmt man oft das meiste mit.
In diesem Sinne, bis zum Halbjahresbericht nach dem ersten halben Jahr in drei Monaten!